In einem Onlinemagazin namens lebendiges-schwalmtal.de darf der Hariksee nicht fehlen. Könnte man meinen. Und da ist auch was dran. Unbedingt! In diesem Fall war das allerdings – um der Wahrheit die Ehre zu geben – ein bisschen anders. In dieses Online-Magazin ist der Hariksee zum Thema geworden, weil ich am Anfang noch ein sechstes Foto für die Bilder im Kopf der Startseite brauchte. Ich durchsuchte mein privates Bilderarchiv und fand dieses Bild:

Foto: Biggi Mestmäcker

Und weil ich finde, dass dieses Hariksee-Foto aus meinem privaten Bilderarchiv wirklich schön ist, weil es auf seine Art so viel Ruhe ausstrahlt, wie man sie vermutlich am Hariksee nur sehr früh morgens oder nachts findet, wählte ich es aus. Weil aber zu jedem Foto auf der Startseite auch eine Geschichte gehört, kam mir spontan die Frage in den Sinn: Warum heißt der Hariksee eigentlich Hariksee?

Weil ich diese Frage damals nicht direkt beantworten konnte, vertröstete ich die Leser*innen einfach. Wer auf das Bild klickte, landete nicht bei der Antwort auf diese Frage, sondern lediglich bei einem Hinweis, dass ich mich baldmöglichst um eine Antwort bemühen wolle. Das tat ich dann auch und hoffte, ich würde die Antwort auf die Frage online finden.

Viel gelernt, aber keine Antwort gefunden

Ich lernte alles Mögliche. Dass der Hariksee ca. 20 Hektar groß und schon ziemlich alt ist. Ich lernte, dass sein Ufer aus Bruchwaldzonen und aus Mooren besteht, in denen Schwarzerlen wachsen. Ich las über das Strandbad, mit dem in den 1920er Jahren der Harikseetourismus begann. Heute stehen an der Stelle, wo früher das Freibad war, die grünen Wochenendhäusschen. Ich lernte, was ich schon wusste und sehr schade finde, in Zahlen auszudrücken, dass nämlich das Harikseeufer zu 95 % nicht öffentlich zugänglich ist, weil es im Privatbesitz ist und mit Privathäusern bebaut ist.

Hariksee Inselschloesschen 2016
Foto: Fredvida [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
Ich las über das Inselschlösschen, in dem ich als Jugendliche mein erstes eigenes Geld als Aushilfskellnerin verdiente und wo ich unzählige Male den legendären Satz sagte: „Draußen nur Kännchen“.

Ich las über das Schiff namens Patschel, über den ersten Patschelkapitän Paul Kruff, ich las über den Fischotter Patschel, über Heinrich Malzkorns Patschel-Roman und über René Bongartz’ tolles Patschel-Romanprojekt.

Ich erfuhr noch sehr viel mehr über den Hariksee und weiß jetzt auch, dass man Wiesenstraße 47, 41372 Niederkrüchten ins Navi eingeben muss, wenn man zum Parkplatz Inselschlösschen will. Aber ich wusste nun immer noch nicht, warum der Hariksee Hariksee heißt.

Usch Freitag von der Buchhandlung am Dom riet mir: Frage Klaus Müller vom Heimatverein, der weiß das. Ja, das glaub ich auch. Aber ihn hatte ich gerade erst wegen meiner Rathausverwirrung befragt, ich wollte ihn nicht schon wieder belästigen. Also machte ich mich in der Gemeindebibliothek am Markt auf die Suche nach verborgenem Wissen in alten Heimatboten und Heimatbüchern.

Uta Krüger trug mir sogar einen Stuhl in die Heimatecke, damit ich ganz in Ruhe und entspannt recherchieren konnte. Ich durchforstete sämtliche Heimatliteratur nach dem Stichwort Hariksee, nahm mindestens anderthalb Meter Buch Stück für Stück in die Hand – der Staub und der Geruch der Zeit zeigte mir, dass ich seit langem die einzige war, die diese Bücher anfasste – und fand zunächst nichts, was mich weiterbrachte. Erst ganz am Ende sah ich, dass dort auch eine Bibliographie des Kreises Viersen im Regal stand. Die hätte ich besser als erstes durchgeblättert – als Geschichtensucherin muss ich echt noch viel lernen – denn darin fand ich, was ich suchte.

Fündig geworden!

In der Zeitschrift „Die Windmühle“ aus dem Jahr 1949 gab es einen Aufsatz mit dem Titel „Warum heißt der Hariksee Hariksee“. Diese Publikation brauchte ich. Sie würde mir endlich die Antwort auf meine Frage bringen. Ich bat Uta Krüger, mir den Aufsatz per Fernleihe zu bestellen und von der Unibibliothek Köln über die Unibibliothek Düsseldorf ist er in der Gemeindebibliothek Schwalmtal gelandet. Es dauerte nicht lange, bis der Anruf kam: Mein bestellter Beitrag sei da. Kein langer Beitrag, eher ein kurzer. So kurz, dass die Leiterin der Bibliothek sich genierte, dafür die Fernleihgebühr von 2 Euro zu kassieren. Ich aber war doch froh darüber, dass er so kurz war – ich wollte schließlich nur eine einzige, klitzekleine Antwort und nicht erst noch ein ganzes Buch lesen müssen.

Achtung Disclaimer!

Wer nun eine lebhafte Phantasie hat, sich angesichts unserer Ausgangsfrage die tollsten Geschichten ausgedacht hat, wie der Hariksee zu seinem Namen gekommen sein könnte, der möge sich diese Geschichten bewahren und an dieser Stelle einfach raus- oder weiterklicken. Für alle anderen, die es nun wirklich wissen wollen, zitiere ich die – wie ich fand – wenig spektakuläre Antwort aus dem besagten Beitrag der ‚Windmühle‘ aus dem Jahr 1949, dessen Autor*in leider nicht bekannt ist.

Ist doch ganz einfach: Harik -> Horrick -> Sumpf . Und rik ist ruke ist Rücken.

„Es bestehe, […] nur die Möglichkeit, eine Erklärung und Deutung anhand der mundartlichen Lautgesetze zu suchen. Der Name ‚Harik’ setze sich aus zwei Wörtern zusammen. Bei dem ersten Bestandteile handele es sich wohl um das altdeutsche Wort ‚horo‘, das Sumpf bedeute. Denselben Wortstamm vermutet er in dem Familiennamen ‚Horrick‘, […]. Der Flurname ‚Harik‘ komme im Schwalmtal zweimal vor, und zwar einmal bei Brempt und einmal bei Overhetfeld.* Für diese Flur sei die Nebenform ‚Horryck‘ aus früherer Zeit mehrmals urkundlich belegt. Das Nebeneinander der Lautformen ‚Harik‘ und ‚Horik‘ entspreche vollkommen der mundartlichen Lautentwicklung, […]. Die Deutung des Wortes als Sumpf stehe mit der Flurbeschaffenheit in den angeführten Namen in vollem Einklang. […]“**

Der Beitrag endet mit diesem Ergebnis:

„Lautgeschichtlich einwandfreier erscheine die Ableitung der Silbe ‚rik‘ in ‚Harrik‘ von dem Grundwort ‚ruke‘ (Hochdeutsch Rücken), wonach der Flurname ‚Harik‘ demnach mit ‚Sumpfrücken‘ wiederzugeben sei. So erkläre sich der Hariksee als See bei der Insel im Sumpf.“

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*An dieser Stelle hab ich spontan gedacht: Hä? Seit wann ist Overhetfeld Schwalmtal? Aber dann fiel mir das Jahr ein, in dem wir uns hier befinden. 1949 gab es die Gemeinde Schwalmtal schließlich noch gar nicht und ich bemerkte den kleinen, aber feinen Unterschied. Der Autor oder die Autorin schrieb ganz richtig „im Schwalmtal“ und nicht „in Schwalmtal“.

** Es folgen weitere lautmalerische Analysen. Wer sich für den ganzen Aufsatz interessiert, kann sich gerne privat an mich wenden. Aus urheberrechtlichen Gründen habe ich davon abgesehen, ihn hier öffentlich als PDF zu hinterlegen.

2 Kommentare

  1. Weißt du, was ich richtig gut finde? Dass man bei dir nebenbei auch recherchieren lernen kann. Also hoffe ich, dass auch dieser Artikel auftaucht, wenn jemand googelt “Wie recherchiert man?”. Denn an der Uni sehe ich so oft, dass viele Studierende gar nicht wissen, wie man an Quellen kommt. Die gucken bei Wikipedia und wenn es das Buch nicht online gibt, war es das häufig auch. Also: Sehr schönes Praxis-Beispiel 🙂

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