„Heimatgeschichte macht Spaß“ kommentierte René H.R. Bongartz auf Facebook bei meinem Beitrag „Warum der Hariksee Hariksee heißt“. Und er weiß ganz sicher ganz genau, was er da sagt. Denn spätestens mit seiner Neuauflage des Patschelromans von Heinrich Malzkorn ist er tief in die Geschichte unserer Heimat eingetaucht.

Das geht auch gar nicht anders, wenn man sich mit dem Wahrzeichen unserer Region, mit Patschel beschäftigt. Jene berühmte Otterdame, Titelheldin eines Romans von Heinrich Malzkorn. Ein Roman, der in einer Originalausgabe von 1949 seit Jahr und Tag in meinem Bücherregal steht, den ich aber nie gelesen habe. Ganz ehrlich – ein Roman über eine Otterfamilie hat mich nie gereizt. Auch dann noch nicht, als ich erfuhr, dass René H.R. Bongartz eben jenen Roman neu herausbrachte und anlässlich des Patscheljahres etliche Lesungen und Veranstaltungen rund um den Otter aus dem Schwalmtal veranstaltete.

Aber dann las ich die Rezension von Usch Freitag von der Buchhandlung am Kloster  in ose Mont, wenig später sah ich den Bericht der Lokalzeit Düsseldorf über das Patscheljahr, über Patschel und auch über den Patschelroman. Usch endete ihre Rezension mit diesem Satz:

„Dieses  kleine Buch ist in der Neuauflage ein großer Schatz für jeden, der seine Heimat liebt – so wie ich!“

Und weil ich ja auch gerade begonnen habe, zu merken, dass heimatgeschichtliche Themen Freude machen, dachte ich, ich sollte den Roman vielleicht doch mal lesen.Auch wenn ich wie gesagt eine Originalausgabe besitze, kaufte ich ein Buch der Neuauflage – ich finde, man sollte kulturelles Engagement immer unterstützen. Erst Recht, wenn es ehrenamtlich geschieht. Außerdem liest sich die in Fraktur gesetzte Originalfassung nicht so gut.

Als ich heute am Morgen den Rechner anmachte und er mich mit einem Otter als Startbild begrüßte, da dachte ich, das ist ein Zeichen! 😉 Ich sollte – jetzt wo ich es gelesen habe – auch drüber schreiben.

Patschel – ein Roman wie ein Gemälde

Patschel ist eine Otterdame aus der Region, der Roman beschreibt das Leben dieser Otterlady, ihres Gatten Dreilauf und ihrer Kinder. Familie Otter lebte in unserer Gegend, Hariksee und Schwalm waren ihr Zuhause.

Heinrich Malzkorn war Lehrer an der Schule in Born und hat damals wohl in einer Fischerhütte am Hariksee gelebt. Das Ufer des Hariksees war also genau so sein Zuhause wie das der Patschelfamilie, deren Schicksal er in seinem Roman beschreibt. Malzkorn ließ seine Geschichte etwa in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts spielen und so lesen wir von Blumen, Pflanzen, Landschaften, wie wir sie heute gar nicht mehr kennen.

„In den Uferwiesen blühten Ranunkeln, Günsel und Wiesenschaumkraut und die Büschel der goldgelben Sumpfdotterblumen leuchteten an Kolken und Seebuchten auf wie bäuerliche Frühlingssträuße.“

Nur eine von so vielen Stellen, die der Leserin oder dem Leser die Farben der Natur direkt in die Vorstellung zaubert. Heute muss man suchen, um so viel Farbenpracht in der Natur noch zu finden.

Apropos Farbenpracht – die Originalausgabe hat der Autor mit eigenen Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustriert. In meiner Ausgabe wurden diese Bilder coloriert (klingt wertiger als „mit Buntstift angemalt“ *g), was sie ein wenig speziell macht. Wenigstens das. Ich lernte nämlich, dass die Originalsignatur des Autors in meiner Ausgabe nichts Besonderes sei, weil Malzkorn damals wohl sehr sehr viele Bücher signiert hatte.

Aber zurück zu den Bildern – wer auch immer in meiner Ausgabe aus dem Jahr 1949 die Zeichnungen bunt angemalt hat, der oder die hat nicht verstanden, dass Malzkorn gar keine bunten Illustrationen benötigte, um farbige Bilder vor dem geistigen Auge seiner Leser*innen entstehen zu lassen. Heinrich Malzkorn malte mit Worten. Seine Beschreibungen sind so durchdringend, dass man gar nicht anders kann, als sich mitten in dieser blühenden Landschaft wiederzufinden, die er beschreibt. Man kann sie nicht nur sehen, sondern förmlich riechen, so intensiv sind seine Sätze bisweilen.

„Rote Kuckucksnelken und himmelblaue Vergissmeinnicht blühten am Ufersaum. Der Faulbaum duftete betäubend durchs Bruch. Wo die Wiesenränder bis hart an den See vorstießen, brannten die Feuersterne des Löwenzahns in vieltausendfältiger Pracht. Zwischen ihnen glühten in Purpur und lichtem Rot die Orchisquirle der Knabenkräuter.“

Günsel, Kolken oder Orchisquirle?

Wer nun denkt, „die Wörter kenn ich alle gar nicht“, oder „Wiesenschaumkraut? Woher soll ich denn wissen, wie das aussieht?“, der wird bei der Lektüre der Neuauflage dieses Buches eine Menge lernen. Denn René H.R. Bongartz und sein Team haben viele Infos und Bilder ergänzt, die den Leser*innen von heute zeigen, wie schön unsere Natur damals noch war. Der Herausgeber hat sich dazu ein gut durchdachtes System überlegt – hinter allen Begriffen, die erläutert werden, findet man eine kleine Zahl, die auf das Bild und die dazugehörigen Erläuterungen verweist. Die zu lesen und anzuschauen, macht aus der Romanlektüre eine wirklich bildende Angelegenheit. Ich habe viel gelernt, was ich noch nicht wusste. Toll!

Einziger Kritikpunkt: Die Bilder finden sich auf jeder Buchseite in der Mitte – ich hätte mir die lieber als Anhang gewünscht. Mich haben die Bilder in meinem Lesefluss gestört, weil man einfach auf jeder Seite drüber stolpert und dann auch liest, was dort steht, obwohl es u.U. gerade inhaltlich gar nicht passt. Ich lasse mich da einfach zu leicht ablenken und hätte mir das deshalb anders gewünscht. Generell aber sind genau diese hinzugefügten Informationen und Fotografien genau das, was den Mehrwert dieses Buches ausmacht.

Alle Infos zum Buch und auch zu den Bezugsquellen hier: www.patschel-roman.de

*Ich wurde zu diesem Beitrag weder aufgefordert, noch dafür bezahlt. Das ist eine Rezension aus Überzeugung. Und dennoch ist es natürlich Werbung.

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