Paul Lentzen, dein neuer Bürgermeister – so liest man in der letzten Zeit auf Plakaten, Photos und Postings im Internet. Paul Lentzen kandidiert bei der Kommunalwahl 2020 für Bündnis 90/DIE GRÜNEN Schwalmtal für das Bürgermeisteramt und er ist Bezirkskandidat für den Wahlkreis 6090/Nottbäumchen. Er hat eine Website, auf der er sich der Gemeinde ein wenig vorstellt, ein bisschen was aus seinem Lebenslauf erzählt er dort, aber hauptsächlich geht’s um Politik. Um seine Ziele und Pläne für Schwalmtal. Auch in seinem Weblog erzählt er uns eine Menge darüber, wie er sich das Leben in Schwalmtal vorstellt, wie er unsere Gemeinde fit machen will für die Zukunft und wie er Schwalmtal für und mit der Wirtschaft und für und mit der Bevölkerung lebens-und liebenswert gestalten möchte. Darüber hinaus gibt es derzeit Kandidatenchecks vom WDR, von Welle Niederrhein und auch die IHK hat die Bürgermeisterkandidaten befragt. Zu politischen Positionen und Zielen kann man also allerorten genug lesen. Aber was ist mit dem Menschen Paul? Wie denkt und fühlt er? Was macht ihn aus? Wie lebt er, was mag er? Warum tut er das alles? Ich habe mal nachgefragt.
Paul, du bist aufgewachsen auf der Dorfstraße in Amern, wohnst jetzt in Waldniel, du bist also durch und durch ein Schwalmtaler. Was bedeutet für dich Heimat?
Heimat bedeutet für mich Verbundenheit durch Vertrautheit. Mein erster großer Umzug ging Anfang 20 nach Berlin – ich weiß noch wie heute, dass mir das Verlassen der Heimat sehr schwer gefallen ist. Klar, es war auch total interessant in Berlin, ich kam ein halbes Jahr vor dem Mauerfall dahin. Aber trotzdem: die Heimat fehlte mir immer. Diese Selbstverständlichkeit, dahin zu gehören, wo ich wohne, habe ich nirgendwo anders so empfunden.
Die Vertrautheit mit Menschen, die mich schon ein Leben lang begleiten, mit Plätzen oder Orten, wo ich als Kind gespielt oder die Jugend verbracht habe, begründen meine Heimatverbundenheit. Auf manche Veränderungen blickt man mit Wehmut, wenn auch Erinnerungen verschwinden: Ich vermisse z. B. den Bahnhof in Amern, das Kino in Waldniel oder das Schwimmbad an der KUAG. Aber es ist auch schön, Veränderungen mitzuerleben. Die Renaturierung des Kranenbachs in Amern lässt eine wunderschöne Landschaft entstehen.
Daher ist es glaube ich auch sehr wichtig, bei Veränderungen in unserer Heimat immer vor der Verantwortung zu handeln, dass es sich um vertraute Erinnerungen handeln kann.
Hast du einen Lieblingsplatz oder -ort in Schwalmtal?
Ja, die wunderschöne Natur, die Amern und Waldniel verbindet. Das Kranenbachtal zwischen dem renaturierten Kranenbach und dem Kaiserpark in Waldniel am ehemaligen Bahndamm entlang ist einzigartig für eine Gemeinde wie Schwalmtal. Ein großartiger Wanderweg für Fußgänger und Radfahrer. Das kann unser „Central Park“ werden, in dem wir Natur noch weiter fördern und gleichzeitig intensiver erleben könnten. Diese Idee finde ich wesentlich zeitgemäßer als zu versuchen, Amern und Waldniel durch noch mehr Baugebiete zu verbinden – und so weitere Naturflächen zu verlieren. Wir müssen schleunigst erkennen, dass wir, statt Flächen weiter zu versiegeln, im Gegenteil dazu kommen müssen, Flächen zu entsiegeln. Das Thema ist enorm wichtig und wird kommunale Politik in den nächsten Jahrzehnten ganz wesentlich prägen: täglich versiegeln wir in NRW die Fläche von 12 Fußballfeldern. Wir erleben Dürren, extreme Hitzewellen, Starkregen – alle Phänomene haben mit unseren Flächen zu tun, denn nur offene Naturflächen können Wasser aufnehmen für die Grundwasserbildung, kühlen durch Verdunstung und Wasser speichern, wenn plötzlich zu viel kommt.
Außerdem verschwinden weniger Lieblingsplätze, wenn wir die Natur erhalten und es entstehen neue.
Lieblingspflanze?
Oh, jetzt erwarten manche sicher was Spektakuläres … aber es ist, ganz einfach, die Kartoffel. Bis Anfang der 90er waren wir noch Landhändler in Amern, Hauptgeschäft war der Kartoffelgroßhandel. Ich bin also mit und oft in Kartoffeln aufgewachsen und ich rieche nichts lieber als Kartoffelerde.
Solanum tuberosum, der botanische Name der Kartoffel, gehört zu den Nachtschatten wie die Tomate (Solanum lycopersicum) oder der Jasmin (Solanum jasminoides). Die blühende Kartoffel ist optisch auch gar nicht weit vom Jasmin weg, viele kennen ja nur die Knolle. Ich empfehle daher gern, Kartoffeln mal zu Hause zu pflanzen – das geht sehr gut auch im Kübel. Die Knolle ist mir aber auch am liebsten – und ich liebe wirklich alles, was man daraus zubereiten kann: Pell- und Salzkartoffeln, Bratkartoffeln, gebacken mit Rosmarin, Reibekuchen, Kartoffelsalat – und natürlich lecker Fritten.
Lieblingsbuch?
Derzeit: Achtsam morden von Karsten Dusse. Hat Usch Freitag aus der Waldnieler Buchhandlung am Dom mir empfohlen – ich hab sehr oft laut gelacht beim Lesen. Also empfehle ich die Tipps von Usch!
Lieblingsmusik?
Peter Gabriel. Und aktuell ganz gern George Ezra und Billie Eilish.
Du bist ein unglaublich aktiver Mensch – du bist Unternehmer mit 10 Mitarbeiter*innen und managst den Landmarkt, du bist Vorsitzender des Gewerbevereins, betreibst einen Online-Shop, kandidierst für die Wahl zum Bürgermeister und bist alleinerziehender Vater eines 12-jährigen Sohnes. Wie machst du das? Hat dein Tag mehr Stunden als meiner?
Ich gebe zu, derzeit ballt es sich ein wenig 😉 … sagen wir so: das „wie“ hat mit dem „warum“ zu tun. Ich folge dem Grundsatz: „Mach, was du liebst, und du musst nie mehr arbeiten.“ Ich liebe meine Firma und bin begeistert von dem, was wir mit dem Gewerbeverein schon erreicht haben. Die Bürgermeisterkandidatur sehe ich als große Chance in meinem Leben, meine Leidenschaft für Politik und Schwalmtal tatkräftig umzusetzen – auch wenn ich gern mehr Zeit für die Kandidatur hätte, ich wollte diese Chance unbedingt ergreifen. Hier zeigt sich wie bei allen anderen Aktivitäten, dass nicht immer 100 % Zeit zu haben entscheidend ist, sondern richtig zu entscheiden, wie viel Zeit ich wann investiere. Ich arbeite gern im Team, und das funktioniert sowohl in meiner Firma als auch im Verein oder in der Partei hervorragend, wenn man sich selbst als Teil des Teams sieht und auf die Arbeit der Mitarbeitenden vertrauen kann. Das Vertrauen ist wichtig, anderen nur Vorgaben zu machen funktioniert überhaupt nicht und kostet wieder Zeit, während das Ergebnis nicht von der echten Mitarbeit des Teams profitiert.
Naja, und generell kann ich sagen, dass ich alle Aktivitäten richtig gern mache, daher empfinde ich das selten als Last oder Stress, sondern als gut gelebte und erlebte Zeit.
Mein Sohn erlebt das so mit und ist während der Arbeit oft bei mir, vielleicht verbringen wir mehr Zeit miteinander als andere berufstätige Elternteile mit ihren Kindern teilen können. Klar geht es dann nicht um uns, sondern wir kaufen im Großmarkt ein oder wässern unsere Pflanzen – aber wie gesagt: wir leben ja darin. Das war in unserer Familie immer so, bei mir auch, insofern weiß ich ganz gut, wie das funktioniert – und dass es funktioniert: Meine Mutter ist jetzt Ende 70 und arbeitet auch noch mit … wehe, mein Sohn schmeißt mich vorher raus. 😉
Apropos Landmarkt – du kandidierst zum Bürgermeister. Das ist doch ein Fulltime-Job. Was wird aus dem Landmarkt, wenn du die Wahl gewinnst?
Ich werde einen Marktleiter einstellen und den Markt und meine hervorragenden Mitarbeiter behalten. Aber klar – ich bin dann operativ raus. Die Firma hat schon viele Veränderungen mitgemacht und wird weitere erleben. Es ist klasse, in der Geschichte dieser Firma ein Teil zu sein und ich möchte, dass diese Geschichte auch nach mir weitergeht.
Das war übrigens für mich persönlich der Hauptgrund, die Bürgermeister-Kampagne mit meinem Vornamen zu führen: Lentzen steht eben für unsere Familie und die Firma hier im Ort, da fand ich es richtig, die Kampagne auf meine Person zu beziehen. Ich finde aber auch klasse, dass mich jetzt sehr viele Leute einfach mit meinem Vornamen ansprechen – ich mag das.
Was sagt dein Sohn zu deinen Plänen und zu seinem umtriebigen Papa. Hast du deine Kandidatur vorher mit ihm besprochen?
Mit meinem Sohn Leo, das muss ich einfach mal zugeben, hab ich als Vater richtig Glück gehabt. Als alleinerziehender Sohn zeigt er wahnsinnig viel Geduld und Toleranz mit seinem alten Vater. Menschen in meinem Alter sind eben nicht mehr ganz so fix im Denken, haben ihre oft unsinnigen Gewohnheiten und machen permanent und ohne zu fragen einfach was sie wollen … das hält der junge Mann mit erstaunlicher Gelassenheit aus.
Generell kann ich wohl sagen: Ich lerne viel von ihm, er viel von mir und so halten wir uns ziemlich gut aus.
Ich glaube, wir machen oft den Fehler, kleine und junge Menschen als (noch) nicht vollwertig anzusehen. Das ist ein großer Irrtum: klar muss, kann und darf man mit 12 noch sehr viel lernen, aber der Mensch ist vollwertig in jedem Alter. Etwas nicht zu wissen heißt ja nicht, dumm zu sein. Es ist total wichtig zu verstehen, dass schon ein Kleinkind genau so viel Respekt, Achtung, Aufmerksamkeit verdient und auch so ernst genommen werden muss wie Erwachsene. Ich nehme an, manche Schwierigkeiten in unserer Zeit haben damit zu tun, dass viele Menschen dieses Gefühl nicht haben und nie hatten. Es gäbe sicher weniger Hass und Häme, wenn alle schon von Tag 1 an gespürt hätten, dass man sie ernst nimmt und für wichtig hält.
Leo war der erste, mit dem ich darüber gesprochen habe, die Kandidatur anzunehmen. Er war sofort dafür. Meine Zweifel waren so übliche Bedenken – was andere denken, schaffst Du Wahlkampf und Firma … Leo sagte aber sofort, das wäre doch auch ein super Job für dich. Er sah also direkt die Chance, und diese Sicht hat mir sehr geholfen. Er stellt nur eine Bedingung: er will seinen Platz neben mir behalten. Man wird mich also nicht immer allein im Büro antreffen!
Hast du bei deinem randvoll gefüllten Alltag noch Zeit für Hobbies? Wenn ja – was machst du gern in deiner Freizeit? Wenn nein, wofür hättest du gerne mehr Zeit?
Also so richtige Hobbies hatte ich nie. Das hat damit zu tun, was ich eben zu meiner Arbeit und anderen Aktivitäten gesagt habe. Mich füllt das aus, ich gehe darin auf und fühle mich so sehr lebendig. WENN ich aber doch mal freie Zeit habe, verbringe ich sie gern mit meinem Sohn. Wir hängen dann gern einfach mal ab, oder gehen auf den Markt, essen Eis und spielen hier abends Karten. Ich bin gern mit dem Rad unterwegs, gehe sehr gern aus um Freunde und Bekannte zu treffen, ich gehe liebend gern in Restaurants essen, koche aber auch sehr gern. Ich mag die italienische Küche, aber auch sehr gern unsere deftigen Klassiker hier – besonders im Winter. Für all das hätte ich gern mehr Zeit, und zum Lesen. Bücher schaff ich immer nur im Urlaub – wenn ich abends lese, schlaf ich sofort ein.
Wenn du Bürgermeister bist – was wird eine erste Amtshandlung sein?
Eine erste Amtshandlung wäre, statt Dienstfahrzeug ein E-Bike zu fahren und der Verwaltung Car-Sharing mit Elektroautos anzubieten.
Und was ist für dich das für oder in Schwalmtal drängendste Thema?
Das drängendste Thema ist die Umorientierung von reiner Kostenrechnung in Politik und Verwaltung zu gestalterischer Gemeindearbeit. Auf allen Gebieten – Bau, Verkehr, Soziales, Bildung, Finanzen – muss umfassend und teilweise übergreifend an nachhaltigen Konzepten gearbeitet werden, um Schwalmtal zu entwickeln und das Potenzial zu nutzen, das wir hier haben. Es reicht nicht mehr, eine Priorität, wie sie z. B. zweifelsohne die medizinische Versorgung hat, isoliert zu betrachten. Wir brauchen eine ganzheitliche Sicht und Strategie für ganz Schwalmtal – und alle in Schwalmtal.
Gibt es ein Mantra, einen Leitspruch, der dich durch dein Leben begleitet?
Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. (F.W. Bernstein)
Und gibt es etwas, dass du unbedingt los werden möchtest, das in keine der nun möglichen Antworten passt?
Ja, ich möchte an dieser Stelle mal ausdrücklich unseren Sportvereinen für ihre Arbeit danken! Sehr viele Kinder werden super betreut, machen ganz wichtige soziale Erfahrungen und finden in ihren Mannschaften Freunde und Bestätigung. Leider ist es momentan schwierig, genügend Betreuer*innen bzw. Trainer*innen zu finden. Daher meine Bitte: alle, die einmal Sport getrieben haben, können hier einen sehr sinnvollen Beitrag leisten und für die Kinder ein ganz wichtiger Mensch im Leben sein. Aber auch ohne Kenntnisse in bestimmten Sportarten ist jede Hilfe immer sehr willkommen. Ich weiß von Gesprächen mit dem SC Waldniel, dass sowohl für die Fußball- als auch die Handballjugendmannschaften dringend Trainer*innen und Betreuer*innen gesucht werden. Ich bin aber sicher, dass auch beim VSF Amern, bei Fortuna Dilkrath, beim OSC und TUS, bei der Tennisgemeinschaft und beim TTC (Tischtennis) Unterstützer*innen jederzeit herzlich willkommen sind.
Nehmen Sie Kontakt auf, eine Liste mit allen Vereinen in Schwalmtal finden sie hier auf der Seite der Gemeinde Schwalmtal.
Vielen Dank Paul, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen für lebendiges-schwalmtal.de zu beantworten. Und viel Erfolg bei der Kommunalwahl am 13.09.2020.