Es macht derzeit überall die Runde und in der Zeitung stand es auch schon: Die Grünen werden gegen den aktuellen Bebauungsplan für den „MLP Business Park Niederrhein“ stimmen. Und als Waldnielerin hoffe ich inständig, dass sie nicht die einzigen sein werden, sondern dass es im Rat unserer Gemeinde noch mehr Menschen gibt, die vorausschauend denken und die mit dafür sorgen werden, dass dieser Kelch an uns vorübergeht. Denn soviel ist klar – LKW-Staus auf den Zufahrtsstraßen und Schwertransporte mitten in unserem Ort – 24 Stunden lang, Tag für Tag, das hat mit der Lebendigkeit, die diesem Blog hier seinen Namen gab, nichts mehr zu tun. Im Gegenteil, das ist nicht nur lebensfern, sondern unter Umständen auch lebensgefährlich. Und ganz sicher bin ich nicht die einzige Bürgerin Schwalmtals, die diese Pläne rund um einen Logistikpark direkt neben dem Schulzentrum mit großer Skepsis und Sorge sieht.
Jürgen Heinen auf dem Rösler Gelände während der Führung an einem grünen Montag im August 2020. Foto: Werner Lüders
Ich hab mit Jürgen Heinen, dem Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen in Schwalmtal, über das Thema gesprochen und hab mir von ihm erklären lassen, was seine Partei dazu bewogen hat, die Pläne abzulehnen.
Jürgen, bis vor kurzem hatte man ja nicht viel davon mitbekommen, dass ihr gegen diese Pläne seid. Warum kommt ihr erst jetzt mit euren Argumenten?
“Wir sind natürlich wie alle der Meinung, dass mit der riesigen Industriebrache mitten im Ort endlich etwas passieren muss. Das finden wir also grundsätzlich gut. Aber bisher haben wir immer auch dazu gesagt, dass wir erst noch ausstehende Gutachten abwarten und prüfen wollen, bevor wir dem Bebauungsplan endgültig zustimmen.”
Mittlerweile liegen alle Unterlagen vor, woran stört ihr euch, was gefällt euch nicht?
„Es geht uns in der Hauptsache um den Verkehr. Was da auf uns zurollt, ist wirklich für unseren Ort nicht zu verkraften. Schon jetzt ist ne Menge los auf unseren Straßen, vor allem auf den Zubringern zur Autobahn. Noch mehr Verkehr, vor allem eben auch Schwerverkehr bringt das Fass echt zum Überlaufen. Wir halten das nicht mehr für zumutbar.”
In Nachbarkommunen wurden oder werden aber doch solche Pläne – also Logistikparks – auch realisiert. Seid ihr grundsätzlich gegen solche Vorhaben?
Foto: Werner Lüders
“Es geht ja gar nicht nur um das erhöhte Verkehrsaufkommen als solches, aber man muss sich doch auch mal ansehen, wo das ehemalige Röslergelände liegt. Im Unterschied zu den Logistikparks in Elmpt oder Mönchengladbach befinden wir uns hier mitten im Ort. Gegenüber leben Familien, nebenan ist ein Schulzentrum. Wir müssen doch auch und vor allem an die Leute denken, an die Sicherheit der Schulkinder und an die Luftverschmutzung.”
Wenn Du von erhöhtem Verkehrsaufkommen sprichst – von welchen Zahlen reden wir denn?
“Im Gutachten ist von einem Anfangsaufkommen von 752 PKW und 756 LKW die Rede. In Summe sind das etwa 1500 Fahrten zusätzlich. Jeden Tag! Wohlgemerkt: ANFANGSaufkommen. Diese Zahlen werden ganz sicher nicht sinken, sondern steigen. Es gibt Spitzenzeiten wie Weihnachten, dann ist es noch sehr viel schlimmer. Und der Versandhandel wird ganz sicher auch nicht weniger werden. Alle ein bis zwei Minuten würde dann ein LKW durch unsere Gemeinde fahren. Da ist es mit Lärmschutzmaßnahmen allein nicht getan. Da muss man außerdem mit erhöhter Unfallgefahr rechnen, insbesondere der kreuzende Schüler- und Fahrradverkehr ist gefährdet. Und dann der Krach, wenn LKW dauernd bremsen und anfahren, ist das ja nicht gerade leise. Auch mit dem ruhigen Feierabend ist es für die Anwohner*innen an der LKW-Strecke vorbei. Denn wir reden hier von einem 24h-Betrieb.”
Tag und Nacht?
“Ja, richtig gehört: Die fahren nachts genauso wie tagsüber.”
Aber sicher ist doch ein Verkehrsleitsystem geplant, so dass alle wenigstens nicht überall rumfahren?
“Gute Frage, nächste Frage. Nein, im Ernst – ja, es ist geplant, die LKW über die Nordtangente zu leiten. Aber mal ehrlich – welcher ortsfremde LKW-Fahrer achtet auf Schilder? Die haben doch alle ein Navi an Bord, das sie bei Abfahrt anschalten. Wir haben es ausprobiert: Wenn man bei Weuthen am Kreisverkehr das Navi anmacht, dann werden nur die nach den Niederlanden fahrenden LKW über die Südtangente (Ungerath) geführt. Alle anderen LKW mit Ziel Aachen, Köln, Düsseldorf und Venlo fahren über Eicken/Zoppenberg nach Hostert zur Auffahrt A52 oder werden eben über Mackenstein zur A61 geleitet. Damit ist für uns klar, dass eine ganze Menge Wohngebiete betroffen sind. Und zwar Cleeracker, Burghof, Ungerath, Zoppenberg, Waldnieler Heide, Hostert, Eicken, Naphausen, Musikantenviertel und Heerstraße – alle, die dort wohnen, werden unter dem Verkehrsaufkommen schwer zu leiden haben.”
Bei der Führung, die ihr an einem eurer grünen Montage auf dem Rösler-Gelände gemacht habt, wurde erzählt, dass das Gelände schwer belastet ist, und dass man eigentlich froh sein kann, wenn die Fläche nun bald versiegelt wird. Aber falls der Logistikpark doch nicht dort gebaut wird, bleibt das Altlastenproblem ja immer noch ungelöst.
Foto: Werner Lüders
“Stimmt, das ungefähr 100 Jahre alte Gelände ist wirklich massiv belastet durch schwermetallhaltige Böden. Es muss also unbedingt dort etwas geschehen. Die optimale Lösung ist aber nicht die Versiegelung, es ist ja keine Deponie. Man könnte das Gelände auch richtig sanieren, also die Schadstoffe beseitigen – dann kommen auch wieder alle Nutzungsmöglichkeiten in Betracht, zum Beispiel die Lebensmittelproduktion oder vielleicht auch teilweise Wohnbebauung. Die Belastung war ja auch der Grund, warum Kamps sich auf dem Gelände nicht ansiedeln konnte. Wir haben recherchiert und herausgefunden, dass es genau dafür zur Zeit ein Förderprogramm mit 80-prozentiger Förderung gibt. Das wäre unser Vorschlag – und dann machen wir aus dem Gelände ein Gewerbegebiet für mehrere, verschiedene Unternehmen. Eine solche Planung hatte die Verwaltung selbst in 2017 schon einmal vorgestellt.
Vielleicht auch zusätzlich mit Eventlocation, mit Begegnungsstätten, mit Co-Working-Spaces – es gibt viele Möglichkeiten für eine kreative und vernünftige, vor allem auch wertvollere Gestaltung. Wir würden so vermutlich mehr und auch hochwertigere Arbeitsplätze schaffen und in Sachen Verkehr – ein vernünftiges Konzept vorausgesetzt – wäre die Belastung auch nicht so groß und viel besser zu verkraften. Vor allem würden wir nicht Altlasten behalten und zusätzlich Neulasten in Form von unerträglichem und andauerndem Schwerverkehr in den Ort holen.”
Lieber Jürgen, ich finde, das klingt alles sehr vernünftig und ich wünsche mir sehr, dass es gelingt, diesen geplanten Logistikpark noch abzuwenden, aber …
„Ja, wenn ich dich unterbrechen darf, möchte ich gern unseren Fraktionsgeschäftsführer Jan [Vander] zitieren, der neulich Folgendes sagte: Wir haben doch Verantwortung für die Zukunft. Deshalb müssen wir die sich selbst fortschreibende Geschichte der Belastung unseres Ortes unterbrechen. Sonst werden uns unsere Kinder und Enkel zu Recht fragen, wie wir jemals die Entscheidung treffen konnten, unserem Ort solche Lasten für Jahrzehnte aufzubürden.“
… aber so ein großer Logistikpark hat doch auch Vorteile: Gewerbesteuer, Arbeitsplätze… Ganz von der Hand weisen kann man das sicher nicht, oder? Was sagst du denen, die mit diesen Argumenten kommen?
„Denen antworte ich: Es geht um die Menschen in Schwalmtal. Wir haben uns gefragt: Was bringt es uns wirklich? Sind vergleichsweise wenig Arbeitsplätze im unteren Lohnbereich und bei internationalen Mietern oft geringe bis ausbleibende Gewerbeeinnahmen schon Grund genug, diese massiven Nachteile in Kauf zu nehmen? Zumal auch Folgekosten auf die Gemeinde zukommen werden. Denn wenn die LKW so fahren, wie wir vermuten, werden nachträglich zusätzliche Schallschutzmaßnahmen für die betroffenen Gebiete notwendig, die dann der Investor nicht abdecken wird. Die hohe Belastung der Straßen wird auch zu überproportionalen Kosten für die Erhaltung und Erneuerung führen. Viel schlimmer aber noch: Wir opfern Sicherheit, Ruhe, Luft- und Lebensqualität der Menschen, die in Schwalmtal leben. Heute, und auch in Zukunft. Es ist eine schwere Entscheidung, eine Gewissensentscheidung, die wir zugunsten der Menschen in unserem Ort getroffen haben: Wir lehnen einen Logistikpark mitten in Waldniel hauptsächlich wegen des nicht zu bewältigenden Verkehrsaufkommens ab.“